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MONIKA KANOKOVA
12.04.2022
Nachhaltigkeit ist im Trend. Unternehmen und vor allem ihre Kommunikationsabteilungen wissen längst, wer auf Nachhaltigkeit setzt, verbessert nicht nur das Image, sondern steigert durchaus auch seinen Umsatz. Die Praxis zeigt allerdings, dass Unternehmen nachhaltig „tun“, Nachhaltigkeit „kaufen“ oder einfach nur darüber kommunizieren können und viele dies auch tun.
In diesem Artikel werfen wir einen (kritischen) Blick auf die wohl gängigsten Kommunikationstrends unserer Zeit und erklären, worauf man achten sollte und wann es sich lohnt, auch mal nachzufragen.
„Klimaneutral bis 2024“ bei Axel Springer. „Elektroladesäulenausbau“ bei Shell – oder ganz allgemein Ziele und Zahlen mit wenig Substanz. Im Moment lesen wir tagtäglich in den Medien über die beachtlichen Nachhaltigkeitsziele vieler Unternehmen. Über den Prozess, diese zu erreichen, oder womögliche Misserfolge wird gar nicht erst berichtet.
Laut einer Bain-&-Company-Studie werden nur 2% der Nachhaltigkeitsziele auch tatsächlich erreicht. Durch die Schnelllebigkeit unserer Medien werden Rechenschaftsforderungen oft vernachlässigt – kein Wunder, denn dadurch, dass Nachhaltigkeitsziele meist freiwillig gesetzt werden, gibt es auch nur wenig Druck, diese zu erreichen. Für PR-Zwecke reicht oft schon die Ankündigung, um einen guten Eindruck zu machen.
Das größte Steckenpferd vieler Unternehmen, wenn es um Nachhaltigkeitskommunikation geht, ist die versprochene Klimaneutralität.
Doch was bedeutet Klimaneutalität eigentlich?
Wir können sagen, dass es eine Nullsummenrechnung ist, bei der das Gleichgewicht zwischen Kohlenstoffemissionen und kohlenstoffsenkenden Maßnahmen angeglichen wird. Allgemein gilt: Um Netto-Null-Emissionen zu erreichen, müssen alle Treibhausgasemissionen weltweit durch Kohlenstoffbindung ausgeglichen werden.
So weit, so gut – das Schwierige daran ist jedoch, dass Emissionen in 3 Scopes unterteilt werden.
Scope 1 = Unternehmenseigene Emissionen am Standort und eigene Fahrzeugflotte
Scope 2 = Zugekaufte Energie
Scope 3 = Alle indirekten Emissionen – von Geschäftsreisen bis zur gesamten Lieferkette und mehr.
Wenn Unternehmen von Klimaneutralität sprechen, beziehen sie sich oft lediglich auf Scope 1 und 2. Und das, obwohl die meisten Unternehmen den größten Ausstoß im Scope 3 verursachen. Scope 3 wird zum jetzigen Zeitpunkt kaum erfasst.
Um über Klimaneutralität glaubwürdig zu sprechen, müssten Unternehmen Transparenz schaffen und darüber berichten, für welche Treibhausgase und Emissionsquellen ihr Ziel gilt. Vor allem aber auch, wie ihr geplanter Reduktionspfad aussieht, bzw. welche Maßnahmen ergriffen werden sollen. Denn – und genau hier versteckt sich das größte Greenwashingpotenzial – oft werden „zweifelhafte“ Ausgleichszertifikate gekauft, statt tatsächliche Maßnahmen zur Reduktion anzustreben.
Die Lösung hier wäre, in Klimabilanzen die eigenen Emissionen und kompensierten Mengen gesondert darzustellen und zu verrechnen.
Unabhängig vom Level der Nachhaltigkeit ist es so, dass jedes Unternehmen Treibhausgase verursacht. Die oft beliebte Lösung ist Kohlenstoffkompensation – eine nicht ganz unstrittige Maßnahme.
Generell ist wichtig, dass Offsetting als Letztmaßnahme eingesetzt wird. Erst nachdem alles getan wurde, um Emissionen zu reduzieren, kann Kompensation eine berechtigte Maßnahme sein.
Auch ist hier von Bedeutung, dass Offsetting-Maßnahmen zusätzliche Maßnahmen sind, die ohne diese Initiative gar nicht erst passiert wären. Das muss auch transparent und überprüfbar sein.
In den letzten Jahren hat sich das Bäume-Pflanzen als die beliebteste – und vor allem werbewirksamste – Offsetting-Maßnahme durchgesetzt. (Mehr dazu weiter unten.) Oft wird diese und auch andere Maßnahmen durch das Erwerben von Zertifikaten umgesetzt und ein Kompensationspreis bezahlt. Oft werden dadurch Projekte im Globalen Süden unterstützt, für deren Zertifikate ein verhältnismäßig kleiner Preis anfällt. Laut dem Umweltbundesamt verursacht eine Tonne CO2 Schäden von 180 Euro. Daher würden wir auch hier sagen, dass diese Maßnahme noch in den Kinderschuhen steckt. Falls Sie sich für eine Beispielrechnung interessieren, lesen Sie am besten diesen Artikel als Nächstes.
Shoppen und dabei Bäume pflanzen, ist eine beliebte Werbetaktik. Viele Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben, unterstützen Baumpflanzprojekte und das teils auch dann, wenn sie nichts mit Bäumen zu tun haben. Ein beliebter Partner dabei ist z.B. das Eden Reforestation Project, das für 10 Cent einen Baum in Asien oder Afrika pflanzt. Auch hier gilt, dass das Kleingedruckte nachdenklich macht, denn Bäume werden als Monokulturen gepflanzt und das mit zwei Bäumen pro Quadratmeter – wer schon einmal einen Baum gesehen hat, weiß, dass ein voll ausgewachsener Baum weit mehr Platz als das braucht. Dazu kommt noch, dass bei der Berechnung des Emissionsausgleichs für Nachhaltigkeitskommunikation gern die Zahl eines voll ausgewachsenen Baumes genommen wird – und da wurmt’s, denn wir bekommen Klimaneutralität präsentiert, die erst in 50 bis 60 Jahren realistisch ist.
Begriffe wie „Bio-Plastik“, „pflanzenbasiert“, „aus nachwachsenden Rohstoffen“ machen falsche Versprechen. Suggeriert wird, dass sich diese im Gegensatz zu Plastik natürlich zerlegen. Das geschieht allerdings nur unter ganz bestimmten Umständen – z.B. bei 60 Grad konstanter Wärme über 6 Monate. Solche Kompostieranlagen gibt es nicht einmal in Deutschland.
Dann wiederum gibt es Verpackungen, die sagen, dass etwas für den Gartenkompost geeignet ist – was wiederum bedeutet, dass die Verpackung nicht für den industriell verarbeiteten Kompost geeignet ist, da hier die Kompostierzeit deutlich kürzer getaktet ist. Im Gartenkompost geht man aber davon aus, dass eine Verpackungen Monate oder auch Jahre Zeit hat, sich zu zerlegen.
Weiters sollte man hier genau auf den Anteil achten, denn oft besteht Bio-Plastik aus nachwachsenden Rohstoffen nur zu ca. 20% bis 80% aus solchen. Auch hier fehlt es oft an Transparenz.
Eine gute Lösung wäre, die Herstellung aus 100% Abfallplastik zum Standard zu machen. Da dies aber teurer ist, gibt es kaum Unternehmen, die dies real umsetzen.
Geschichtlich betrachtet, wurde bereits in den 1960ern Plastik in toten Möwen gefunden. Das Problem ist also nicht neu. Doch dank des Internets verbreiteten sich die Bilder mit rasanter Geschwindigkeit und da Recycling als Lösung in Popularität stieg, kam man auf die durchaus logische Idee, Ocean Plastic zu neuen Produkten zu verarbeiten. Prinzipiell eine gute Sache; bis man eben begann, dies auch in der Nachhaltigkeitskommunikation auszuschlachten.
Es gehört gesagt, dass Ocean Plastic kein geschützter Begriff ist. Das heißt, es gibt keine klare Definition davon, was genau Ocean Plastic ist. Manche sprechen von Plastik aus den Küstenregionen, sind aber auch nicht unbedingt transparent, wo genau diese sind. Auch wird öfters verschwiegen, wie hoch der Anteil an Ocean Plastic im Produkt ist.
Aus der Kommunikationsperspektive wäre es eine Idee, zu sagen, dass ein Produkt oder Verpackung „Ocean Plastic bekämpft“. Zwar wäre dies oft wahrheitsgemäßer, aber auch zu schwammig, wenn nicht konkrete und kontextualisierte Zahlen vorgelegt werden.
Wir finden es gut, wenn Pioniere neue Lösungen anstoßen. Wir finden aber auch: Je mehr ein Thema zum Marketingthema wird, desto eher werden Lösungen zur Positionierung ausgeschlachtet. Wir laden Sie daher ein, öfters einen zweiten Blick auf Werbesprüche und Marketingclaims zu werfen – und nicht alles zu glauben was glänzt.
Um tiefer ins Thema glaubwürdige Nachhaltigkeitskommunikation einzutauchen, empfehlen wir unseren Praxiskurs Nachhaltigkeitskommunikation mit neuen Terminen im Oktober 2022.
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