"Wir brauchen mehr Kacke."
FANNI FLORIAN
14.06.2022
Weniger Baden, den Wasserhahn nicht laufen lassen, wassersparende Haushaltsgeräte – auf vielfältigen Wegen versuchen wir Wasser zu sparen, denn Trinkwasser ist nicht nur kostbar, es wird in Zukunft auch in Deutschland knapp. Aber was ist eigentlich mit unseren Toiletten? Wieso spülen wir dort mehrmals täglich wertvolles Trinkwasser herunter?
Das haben sich auch die drei Gründer von Ecotoiletten gefragt. Ein paar Jahre später bauen sie nun deutschlandweit standort-flexible und autarke Trockentoiletten. Sie wollen Trinkwasser sparen, Nährstoffe bewahren und Sanitäranlagen für jede:n zugänglich machen.
Hallo Kevin, wie kamt ihr auf die Idee, Trockentoiletten zu bauen?
Mein Kommilitone aus dem Geografiestudium Sven Riesbeck hatte die Idee mit den Trockentoiletten aufgeschnappt. Er war fasziniert, wie ressourcenschonend solche Toiletten sind, sodass ihn das Thema nicht mehr losließ. Er erzählte mir dann immer wieder davon und ich begann mich irgendwann auch mit dem Thema näher auseinanderzusetzen.
Unsere erste Aktion war dann, mit dem gemeinnützigen Projekt “non-water sanitation” Toiletten in Indien zu bauen. Wir haben uns aber relativ schnell gefragt, wieso wir eigentlich Trockentoiletten in Indien und nicht in Deutschland bauen? Wieso ein System im globalen Süden propagieren, das wir hier zu Hause gar nicht leben? Sodass wir dann angefangen haben darüber nachzudenken, wie wir Trockentoiletten auch in Deutschland realisieren können.
Worin unterscheiden sich herkömmliche City-Toiletten denn ganz konkret von Ecotoiletten?
City-Toiletten haben sowohl Anschlüsse an das Ab- und Trinkwassernetz, als auch Stromanschlüsse. Sie funktionieren im Prinzip wie handelsübliche Toiletten.
Unsere Trockentoiletten wiederum sind komplett autark – für sie sind keine externen Anschlüsse nötig, wodurch sie besonders bei der Installation enormen Kosten- und Komplexitätsaufwand einsparen. Außerdem sind sie geruchsneutral, obwohl sie ohne Spülung auskommen.
Und wie funktionieren eure Trockentoiletten, wenn ihr keine Anschlüsse habt?
Der für die Trockentoiletten benötigte Strom kommt über eine Solaranlage. Die entstehenden Fäkalien werden entweder mit Holzspänen bedeckt, oder mittels Trennförderband in fest und flüssig getrennt und im Depot gelagert, das regelmäßig entleert wird. Somit sind die Toiletten unabhängig von einer unterirdischen Infrastruktur.
Die regelmäßige Entleerung soll aber später gar nicht mehr nötig sein, richtig?
Genau. Momentan ist es noch so, dass die Fäkalien von uns abgeholt und nach der Auftrennung von Fest- und Flüssigmaterial anteilig in unsere Pilotkompostierungsanlage oder in die Verbrennung gehen. Parallel arbeiten wir daran, dass die Fäkalien bereits in der Toilette verarbeitet werden können, sodass in Zukunft keine Abholung mehr nötig sein wird. Es gibt schon verschiedene Konzepte, mit denen das möglich wäre, die aber aufgrund der Kostenintensität noch nicht umgesetzt werden können.
Wie kann man sich eure geplante Toilette der Zukunft, die ohne Entleerung und ohne Abwasseranschluss auskommt, denn genau vorstellen?
Unsere Vision ist eine vollständige Rückgewinnung der Nährstoffe, indem wir die Fäkalien in Gänze der Kompostierung zuführen, und sie nicht durch die thermische Verwertung verlieren. Dadurch kann ein Nährstoffkreislauf ohne End of Pipe Lösung aufgebaut werden. Da das aktuell gesetzlich noch nicht erlaubt ist, werden die Fäkalien vorerst in Kooperation mit ZirkulierBAR in einer Pilotanlage kompostiert und anteilig landwirtschaftlich und für die Aufforstung genutzt. Verschiedene Institute, wie Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ) e.V. sind Teil dieses Projekts und kontrollieren durch Laboruntersuchungen die Zusammensetzung des Komposts, um einer Schadstoffbelastung vorzubeugen.
Weshalb ist euer Vorgehen so viel umweltschonender, als unser aktuelles Sanitärsystem?
Durch die Kompostierung der Fäkalien und dem zu Grunde liegenden biochemischen Prozess gelangen viel weniger Schadstoffe in die Umwelt, als es bei einer herkömmlichen Kläranlage üblich ist. In einer Kläranlage werden die Stoffe nicht lang genug verarbeitet, um richtig abgebaut werden zu können. Eine Kompostierung der Fäkalien sorgt also nicht nur für den Nährstofferhalt. Sie verhindert gleichzeitig auch, dass Reststoffe wie Arzneimitteln und ähnliches in das Grundwasser gelangen, denn der Abbau der Stoffe funktioniert im terrestrischen System – also in der Erde – viel besser, als im Wasser.
Worüber man außerdem gar nicht nachdenkt: für unser aktuelles Abwassersystem wird viel Trinkwasser verwendet (oder eher verschwendet). Nicht nur für jede einzelne Toilettenspülung, auch für den Transport zu den Kläranlagen wird Trinkwasser genutzt. Das wäre eigentlich gar nicht nötig.
Mit der Pilotanlage für Fäkalienkompostierung und vielen bereits installierten Trockentoiletten habt ihr in den letzten Jahren schon einige Meilensteine erreicht – Gab es nur Höhen oder auch Tiefen auf eurem Weg?
Tatsächlich waren wir im ersten Anlauf nicht erfolgreich. Wir hatten anfangs geplant, Festivals und andere Veranstaltungen mit unseren Toiletten auszustatten. Das hat aber nicht funktioniert.
Wieso hat das nicht funktioniert?
Die starke Terminierung, die anfallenden Lagerungs- & Personalkosten und der Aufwand pro Veranstaltung hat sich nicht gerechnet. Aus kurzfristiger Servicebereitschaft haben wir hier und da auch einfach nicht besonders nachhaltig gehandelt, sodass wir irgendwann beschlossen haben, dass es so nicht weiter geht.
Was habt ihr dann verändert?
Wir haben in einem langen Prozess unser aktuell 10-köpfiges Unternehmen komplett umgebaut und machen das Veranstaltungsgeschäft – mit dem wir damals gestartet sind – inzwischen gar nicht mehr. Wir arbeiten aktuell hauptsächlich mit Kommunen zusammen. Dadurch haben wir eine viel bessere Planbarkeit und ein stabileres Geschäftsmodell.
Die Umstrukturierung hatte viele positive Nebeneffekte – wir arbeiten stressfreier, Kund:innen und Nutzer:innen sind zufriedener, die Gewinne haben sich verbessert.
Eine Krise als Chance auf etwas Neues?
Sozusagen. Durch unser neues Modell ist die ganze Firma resilienter. Auch die letzten 2 Jahre mit Corona haben uns nichts ausgemacht, sowohl was den Wegfall der Veranstaltungen angeht als auch unternehmensintern. Als Team haben wir von Anfang an dezentral gearbeitet.
Welche Themen treiben euch an, die dabei helfen auch schwere Phasen durchzuhalten?
Unsere ursprüngliche Grundmotivation war der Nachhaltigkeitsaspekt. Später kamen dann aber noch andere Themen hinzu. Wir hatten es selbst am Anfang gar nicht auf dem Schirm, aber es ist ja so, dass viele Menschen aufgrund sozialer Restriktionen keinen Zugang zu Toiletten haben. Daher haben wir zB. auf einem Berliner Straßenstrich vier Trockentoiletten errichtet, um Sexarbeitenden die Möglichkeit zu geben, ihre Notdurft zu verrichten – natürlich kostenfrei.
Welche Visionen habt ihr für eure Zukunft?
An unsere Vision der direkten Kompostierung der Fäkalien schließt sich die dezentrale Nutzung der Fäkalien an. Wir wollen weg von der Zentralisierung hin zu einer Nutzung der Nährstoffe direkt vor Ort in Gärten, Hinterhöfen, auf Grünflächen. Dezentrale Strukturen sind einfach robuster und davon abgesehen sind Kläranlagen, wie sie aktuell bestehen, in 20-30 Jahren nicht mehr zukunftsfähig.
2023 setzen wir außerdem ein Projekt mit dem KIT (Karlsruher Institut für Technologie) auf der Bundesgartenschau Mannheim um, wo wir Strom aus Urin produzieren werden, mit dem man dann vor Ort sein Handy laden kann.
Das klingt sehr spannend. Was denkst du, welche Rollen spielen Unternehmen im Rahmen der Transformation?
Meiner Meinung nach bestimmt das Angebot die Nachfrage mehr, als die Nachfrage das Angebot. Einfach dadurch, dass viele Menschen ihre Konsumentscheidungen entweder nicht bewusster treffen können, weil es ihnen an Geld, Wissen oder schlichtweg der Aufmerksamkeitsspanne fehlt. Viele wollen ihre Konsumentscheidungen auch einfach nicht ändern. Das heißt, dass Unternehmen damit auch ohne Veränderungen weitermachen könnten, wie bisher.
Es ist nötig, dass Unternehmen sich neu aufstellen und ein neues Angebot schaffen. Das darf aber nicht nur “grüner” sein. Es muss den Menschen auch einen anderen Mehrwert bieten, damit Nutzer:innen die Umstiegskosten auf sich nehmen. Nachhaltigkeit durch die Hintertür sozusagen.
Wir bedanken uns bei Kevin Kuhn von ecotoiletten für die Insights.
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